Für alle Fälle ausgerüstet

Eine Woche Ostseeurlaub lag vor mir – wie schön. Seit Wochen freute ich mich auf meine jährliche „Auszeit“ vom Alltag und natürlich wollte ich perfekt vorbereitet sein. Wie die Jahre vorher hatte ich Matratze, Kopfkissen und Schlafsack ins Auto gepackt sowie was zu essen und Klamotten für alle Wetterverhältnisse. Für den Strand sollte meine uralte Strandmuschel als Schutz vor Wind und eventuellen Regenschauern herhalten, ich hatte sie extra ganz frisch imprägniert. Als ich sie vor Abreise probeweise im Hof aufgestellt hatte, fielen mir die Ostseeurlaube mit den Kindern ein, wie lang das schon wieder her ist …

Nicht zu unterschätzen bei all den Reisevorbereitungen ist der ganze Kleinkram, den man beim Autocamping braucht (oder auch nicht). Wasserkanister, Wäscheleine und -klammern, Campinglampe, Ersatzbatterien, Insektenspray, Regenschirm, Klopapier, Essbesteck usw. usw. Auch heuer wieder die größte Herausforderung für mich und die ewige Frage: Hab ich an alles gedacht? Ich hatte nicht! Das fiel mir aber erst ein, als ich schon unterwegs war. Kondome! Wie konnte ich nur die Kondome vergessen? Ohne geht gar nicht, nicht am Meer! Sie sind definitiv ein absolut unverzichtbarer Bestandteil meiner Reiseausrüstung, die Dinger sollte man auf gar keinen Fall vergessen, wenn man schwerwiegende Folgen vermeiden will. Schon der Sicherheit wegen. Okay, dann musste ich mir also noch schnell welche besorgen.

Die ersten drei Nächte, bevor es weiter Richtung Ostsee gehen sollte, verbrachte ich recht komfortabel in einem schicken Gasthof nahe Treffurt. Als Mitglied eines Forums hatte ich mich zum jährlichen Treffen mit anderen Teilnehmern verabredet, um ein interessantes Wochenende zu erleben. Bis zum Beginn des Treffens am Freitagnachmittag, blieb mir noch genügend Zeit, um eine kleine Spritztour durch die Gegend zu unternehmen. An einem Supermarkt hielt ich an, um mir ein paar Getränke und die absolut unverzichtbaren Kondome zu kaufen. Die Getränke fand ich schnell, die Kondome nicht. Wo findet man sowas überhaupt im Supermarkt? Keine Ahnung! Vielleicht im Regal bei den Kosmetikartikeln für Männer? Fehlanzeige. Zwischen Duschbad, Rasierschaum, Aftershave, Deospray u.a. war nichts zu finden. Hmmm, die Dinger wird’s doch hier irgendwo geben? Da ich keine Lust hatte, mit der Suche noch mehr Zeit zu verplempern, fragte ich eine Verkäuferin, die geschäftig mit einer Kollegin ein Regal umsortierte. „Entschuldigen sie bitte, wo find ich hier denn Kondome?“ Der Kopf der anderen Verkäuferin schnellte beim Ausspruch des Wortes „Kondome“ sofort zu mir herum. Zwei neugierige Augen musterten mich unverhohlen und mit viel Interesse an meiner Person von oben bis unten (der ihr Kopfkino hätte mich mal interessiert …), während die andere mir freundlich mitteilte, dass die im Regal hinter der Kasse stehen. Ich bedankte mich, warf der glotzenden Verkäuferin einen vielsagenden Blick zu, stöberte noch ein bisschen bei den Zeitschriften rum und lenkte meinen Einkaufswagen zielstrebig Richtung Kasse. Es waren zwei Kassen besetzt. Ich stellte mich an der Kasse an, hinter der ich das betreffende Regal sah. Vor mir war nur eine Kundin, die ihrem Einkauf nach zu urteilen entweder für eine Großfamilie einkaufte oder sich mit Lebensmitteln eindeckte, um für eine bevorstehende Katastrophe gerüstet zu sein. Zeit für mich die verschiedenen Verpackungen zu beäugen und schon eine Vorauswahl zu treffen. Alle möglichen Farben und ein paar Geschmacksrichtungen standen zur Auswahl. Ich wusste genau, was ich wollte: farblos und ohne Geschmack. Als meine Vorgängerin endlich das Band abgeräumt hatte und ich an der Reihe war, äußerte ich mein Begehren und es schien mir, als ob die Dame leicht errötete und erleichtert war, dass ich genau wusste, was ich wollte und ihr dadurch eine ausführliche Beschreibung der Vorzüge der einzelnen Produkte erspart blieb. „Ja Hilfe, ist das so außergewöhnlich, dass hier jemand Kondome einkaufte? Am Ende sind die noch überlagert und halten den kommenden Belastungen nicht mehr stand?“ mutmaßte ich. Oder lag es daran, dass ich eine Frau bin? Ich kam mir ja fast schon frivol vor! Obwohl – eigentlich kann ich mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal welche gekauft hatte. Bestimmt schon hundert Jahre her oder so. Bisher bin ich immer ohne sie in den Urlaub gefahren – wie leichtsinnig von mir! Ts ts ts, geradezu unglaublich!

Zurück in meinem Gasthof holte ich eins aus seiner Verpackung. Das schlabbrige Ding baumelte, nachdem ich es aufgerollt hatte, lustlos zwischen Daumen und Zeigefinger und ich stellte fest, dass ich es sooo definitiv nicht verwenden konnte. Zuerst musste mal dieses glitschige Zeugs da ab. Vorsichtshalber packte ich noch ein zweites Teil aus, immer besser, wenn man einen Ersatz parat hat so für alle Fälle, ne? Im Waschbecken behandelte ich die beiden Teile dann rigoros mit warmen Wasser und Seife, stülpte sie ein paar Mal um, spülte sie dann sorgsam mit klarem Wasser aus und trocknete sie mit einem Handtuch vorsichtig von außen und innen, indem ich sie nochmal umstülpte. Es schienen alle Reste des Gleitgels beseitigt zu sein, prima! Ich legte die beiden Kondome nebeneinander auf die Armlehne eines Stuhls, damit sie über Nacht vollständig trocknen konnten. Sah schon irgendwie komisch aus, wie die zwei Dinger da rum hingen und ich konnte mir ein Grinsen einfach nicht verkneifen. Unter keinen Umständen durfte ich vergessen, sie am nächsten Morgen vor dem Verlassen des Zimmers abzunehmen und im Schrank zu verstauen. Was würde sonst das Personal vom Zimmerservice denken!?

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Am nächsten Tag stand eine Busfahrt in einem historischen Bus auf dem Plan. Bei einem Stopp in Eisenach spazierten wir durch die Fußgängerzone. Das Wetter war perfekt. Wir schleckten Eis, beobachteten dabei ein Brautpaar, das aus einem Gebäude hinter der Kirche kam und von den Gästen gratuliert wurde. Als gegen Ende der Zeremonie rote Herzluftballons gen Himmel stiegen … Unwillkürlich runzelte sich angestrengt meine Stirn. Da war doch was? Luftballon – Ballon – Blasen – Gummi … NEIN! Ein kalter Schauer des Schreckens überlief mich. Die Kondome! Ich hatte sie vergessen! Wie doof aber auch! „Jetzt denken die im Hotel, dass ich geizig bin oder verrückt oder pervers oder was weiß ich. Ich werde bei Nacht und Nebel auschecken müssen, damit ich keinem mehr in die Augen schauen muss!“ schoss es mir durch den Kopf. Oder ganz cool tun: „Wieso, ihr benutzt die wohl nur einmal? Was für eine Verschwendung. Man muss doch auch mal an die Umwelt denken!“ Den Rest des Tages war ich mir nicht sicher, ob ich über mein Versäumnis lachen oder mich peinlich berührt fühlen sollte.

Zurück im Gasthof stellte ich

  1. fest: Sie hingen noch über der Armlehne.
  2. dass es sich hierbei um eine echt außergewöhnliche „Deko“ handelte und
  3. musste ich laut loslachen. Lachen ist sowieso meist das beste Mittel gegen Peinlichkeiten.

Am übernächsten Tag, ich aalte mich entspannt am Ostseestrande, sah ich doch tatsächlich ein Pärchen, das belustigt damit beschäftigt war, Kondome über ihre Handys zu stülpen. Na also, bin ich nicht die Einzige hier am Strand, die dieses Video auf YouTube gesehen hat. Ich muss euch sagen, mein Handy hat sowohl Sand als auch Nässe am Strand unbeschadet überstanden. Dank sorgsam gewaschener, elegant übergestülpter und fest verknoteter Überzieher. Da kommt nix rein und der Anblick ist – naja – sagen wir mal – irgendwie besonders 😉

Also wundert euch nicht, wenn ihr an der Wäscheleine in unserem Hof frisch gewaschene Kondome hängen seht – immerhin geht es auf den Winter zu. Was gegen Sand gut ist wird auch bei Schnee helfen, gelle?

Grad denke ich darüber noch, ob man Kondome nicht auch anderweitig verwenden kann. Ihrer Form nach könnt ich mir gut vorstellen, sie im Notfall auch zur Verhütung zu verwenden, oder?

Schlaflos in Seattle – äh, in Morsleben

Also „Schlaflos in Morsleben“ ohne Tom Hanks 😉

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Morsleben liegt nicht mal in der Nähe von Seattle. Im Grund genommen sehr weit weg davon und sehr wahrscheinlich gibt es auch nicht wirklich viel Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Orten. Dass es für mich eine (fast) schlaflose Nacht (natürlich ohne Tom Hanks) in diesem kleinen Dorf in der Börde werden würde, ahnte ich natürlich nicht, als ich mein Auto vor dem wunderschön hergerichteten Bauernhaus abstellte.

Das Zimmer gefiel mir. Ich brauchte es zwar nur für eine Nacht, hatte aber nichts gegen eine gewisse Wohlfühlatmosphäre einzuwenden. Gegenüber der Tür ließen zwei Fenster Richtung Innenhof viel Licht in den Raum. Links stand mein Bett, rechts ein Sofa, in der Mitte ein Tisch mit Stühlen, dahinter ein Sideboard mit TV – also ein ziemlich großzügiges Zimmer. Rechts neben der Tür war ein Teil des Raumes abgetrennt für Dusche und WC, neu und modern. Prima!

Viel Gepäck hatte ich nicht mit rein genommen, meinen kleinen Rucksack mit den Dingen, die ich auf Reisen immer mit mir rum schleppe sowie eine Tasche mit den Kleidungsstücken für morgen und mit meinem Waschzeug. Ich hatte mir vorgenommen, nicht all zu spät ins Bett zu gehen, denn für den nächsten Morgen hatte ich mich zu einer Besichtigung des Endlagers Morsleben angemeldet und schon für halb sieben das Frühstück bestellt.

Das nette Ehepaar, das die Pension betreibt, hat weiter hinten im Garten einen gemütlichen Bungalow, da saß ich dann noch eine ganze Weile auf ihre freundliche Einladung hin mit den beiden zusammen und wir unterhielten uns sehr angeregt. Zufällig stammte die Frau aus meiner Gegend und freute sich, mal wieder ihre Mundart zu hören.

Es war so gegen 22.30 Uhr, als ich dann endlich in meinem wirklich gemütlichen Bett lag. Der Wecker in meinem Handy war auf 6.10 Uhr gestellt, meine Sachen lagen bereit, ich konnte beruhigt einschlafen. Jetzt machte sich auch die lange Autofahrt bemerkbar, sie hatte mich doch ziemlich erschöpft und mir fielen schnell die Augen zu.

Um halb zwei wachte ich auf, weil ich glaubte, etwas gehört zu haben. Ich lauschte in die Dunkelheit und hörte – nichts. Scheinbar hatte ich geträumt. Immerhin war ich nicht mal sicher, was genau ich gehört hatte. Gerade als ich noch so ein bisschen darüber nachdachte und schon fast wieder am Wegdämmern war, ertönte ziemlich vernehmlich ein Piepton, laut und deutlich. Na also, doch nicht geträumt!

Plötzlich hellwach schaltete ich die Nachttischlampe an und guckte mich um. Was war das? Mein Handy? So ein Ton kam da bisher eigentlich noch nicht raus, aber man kann ja nie wissen … Am Handy war alles wie immer, stellte ich nach kurzer Besichtigung fest. Vorsichtshalber guckte ich nochmal nach der Weckzeit, auch perfekt! Ich saß im Bett und hoffte, dass es noch einmal piepsen würde, damit ich die Richtung des Tones lokalisieren und ihn ausschalten konnte. Es blieb ruhig. Keine Ahnung, wie lang ich da auf der Bettkante saß und lauschte. Zwischendurch kippte ich ein paar Mal leicht ab, als mich die Müdigkeit übermannte, fing mich aber dann gleich wieder, um angestrengt weiter zu horchen, aber nichts rührte sich mehr. Es war vorbei. Ich knipste die Nachttischlampe aus, kuschelte mich unter meine Decke und war froh, meine Ruhe zu haben.

Genau in diesem Moment piepste es wieder! Sofort sprang ich aus dem Bett, machte diesmal die Deckenbeleuchtung an und blieb mit dem Rücken zur Tür stehen, um das ganze Zimmer überblicken zu können. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht dahinter käme, wo sich dieser Piepser versteckt hat. Systematisch suchte ich sehr gründlich Wände, Decke, Fußboden und sämtliche Möbelstücke nach dieser eigenartigen Geräuschquelle ab, konnte aber nichts Auffälliges feststellen. An der Decke hing nur die Lampe, an den Wänden war nichts Auffälliges und vom Boden her schien mir das Geräusch eh nicht her zu kommen. Dann schlich ich mit gespitzten Ohren um den Tisch herum. Und da piepste es wieder! Genau, das Piepsen kam eindeutig vom Tisch her! Meine ganze Aufmerksamkeit galt nun diesem Möbelstück. Ich fühlte ihn ab und kroch darunter, guckte mir die Tischplatte von unten an – fand erstmal nichts. Doch so schnell gebe ich nicht auf! Da lag ja so Einiges von mir herum.

Es half nur eins: auspacken, was ich bei mir hatte und möglicherweise Töne von sich geben könnte (oder auch nicht). Innerlich stöhnte ich kurz genervt auf, war dann aber voll motiviert und fest überzeugt, den Piepser nun zu finden.

Ich packte in meiner Verzweiflung einfach ALLES aus. Zum Glück war es ja nicht so viel, das Meiste hatte ich ja im Auto gelassen. Nach kurzer Zeit lagen auf der einen Seite des Tisches Fotoapparat, Ladegerät für Handy, mobiles Handyladegerät, Fön, elektrische Zahnbürste, Selfie stick, Feuerzeug, Ladegerät für Akkus vom Fotoapparat, sämtliche Akkus, Ersatz-Bluetooth-Auslöser, Fernbedienung vom Fernseher. Auf der anderen Seite: Geldbeutel, Fahrzeugpapiere, Autoschlüssel, Labello, noch ein Labello, Tempotaschentücher, Sonnenbrille, Lesebrille, mein Buch, Haargummi, Kaugummi, Schminktäschchen, Brillenputztuch, SD-Karte, Kuli, Notizblock, Haarreifen, Deoroller. Ich guckte auch ins Bad, aber da stand nur mein Waschzeug rum und nichts, was eventuell piepsen könnte, außer der Zahnbürste und die hatte ich schon zu Kontrollzwecken auf dem Tisch platziert.

Ich nahm mir jedes einzelne Teil genau vor, schüttelte meinen Rucksack und die Tasche noch mal aus, kontrollierte auch die Hosentaschen meiner Jeans. Meine Füße wurden kalt, weil ich barfuß rum lief. Da fiel mir ein, dass ich mich vielleicht doch verhört hatte und das Piepsen von draußen herein gekommen ist. Also schloss ich vorsorglich das Fenster, obwohl ich gar nicht gerne bei geschlossenem Fenster schlafe.

Es hatte nun schon eine ganze Weile nicht mehr gepiepst. Sehr komisch! Erst kurz hintereinander, dann eine Weile wieder nichts und man denkt, es ist vorbei …Ich war hundemüde und wollte doch nur eins: endlich weiter schlafen. Mit der Hoffnung auf wenigstens noch ein bisschen Nachtruhe legte ich mich wieder hin. Tatsächlich schlief ich ein. Kurz. Bis es wieder piepste.

Naja, egal, ich wollte sowieso aufstehen, um das Fenster wieder zu öffnen. Ratlos untersuchte ich auch noch das Fernsehgerät von allen Seiten und zog den Stecker heraus.  Als ich zum Bett zurückging, fiel mein Blick auf den Autoschlüssel. War das etwa die Nervensäge? Da muss ja irgendwas drin sein, sonst würde ja die Fernbedienung am Auto nicht funktionieren. Vielleicht eine Monozelle oder sowas. Keine Ahnung. Das muss ich unbedingt mal recherchieren … Sollte ich vielleicht vorsichtshalber mal nach meinem Auto gucken? Guter Gedanke. Ich schlich mich also barfuß im Shorty raus vor die Haustür, bediente zweimal die Fernbedienung: Türen auf, Türen zu – stellte fest, dass alles normal funktionierte und schaffte es grade so zurück ins Haus, bevor die Haustür ins Schloss fiel und mich ausgesperrt hätte. Na das hätte mir noch gefehlt! Den Zimmerschlüssel, der gleichzeitig zum Öffnen der Haustür diente, hatte ich nämlich vor lauter Schusseligkeit im Zimmer liegen gelassen.

Inzwischen wurde es draußen schon langsam hell. Ich war sowas von müde und überlegte, welche Optionen mir jetzt noch blieben. Das Ehepaar anrufen ging nicht, denn ich hatte nur die Nummer der Pension und das Telefon stand neben Haustür am Empfang, während sie vermutlich eine Etage über mir wohnten und selig schliefen. Eine Handynummer hatte ich nicht von ihnen. Ich zog kurzzeitig in Erwägung, im Frühstücksraum auf einem Stuhl weiter zu schlafen oder auf dem Billardtisch und musste über mich selbst lachen. Es waren auch noch andere Gäste im Haus, doch was würde das für einen Eindruck machen, wenn ich mitten in der Nacht um Asyl nachfragte? Also irgendwie kamen alle Möglichkeiten nicht in Frage. Da stand ich nun in meinem Zimmer und mir fiel nichts Besseres ein, als alle meine Sachen, die auf dem Tisch lagen, nebst Klamotten, dem Handy, der Fernbedienung für den Fernseher, dem leeren Rucksack, der Tasche, dem Autoschlüssel und den Turnschuhen ins Bad auf den Fußboden unter das Waschbecken zu legen, mit der Decke und ein paar Kissen vom Sofa zuzudecken und die Badtür zu schließen. Wenn sich der Piepser eventuell doch zischen meinen Sachen befand, dann würde ich ihn jetzt nur noch sehr gedämpft wahrnehmen oder gar nicht mehr. Haha, ich lass mich doch nicht von so einem Piepser unterkriegen! Wo kommen wir denn da hin? Mir reicht es nämlich jetzt, so! Verbannung ins Bad – da kann das Ding sich dumm und dämlich piepsen. Also vorsichtshalber guckte ich aber doch nochmal unter das Bett …

Mit einem Handtuch ausgerüstet, total fix und alle, mit immer noch kalten und inzwischen auch schmutzigen Füßen kroch ich, zu 50% entschlossen, zu 50% der Verzweiflung nahe, unter meine Decke. Das Handtuch legte ich mir über die Augen, um meinem Bewusstsein vorzuschwindeln, dass es noch dunkle Nacht sei (leider war es mittlerweile schon glockenhell draußen). Viel Zeit blieb mir nicht mehr. Zwei Piepser ertönten noch in kurzen Abständen hintereinander. Es klang fast schon ein bisschen hämisch oder bildete ich mir das nur ein? Ich hatte nur noch ein gequältes Seufzen übrig und konnte mich nicht entscheiden, ob ich lachen, weinen, verrückt werden oder es einfach ignorieren sollte. Ich wollte es mit dem Letzteren probieren, einfach ignorieren. Da auch das Nichthinhören auf die Dauer unheimlich anstrengend und ermüdend sein kann, wirkte es dementsprechend. Im Halbschlaf gingen mir ganz sonderbare Gedanken durch den Kopf: Psychoterror, Stasigefängnisse, Folter, versteckte Kameras, Strahlungen aus der Deponie, blutrünstige Insekten – ich lese eindeutig zu viele Romane oder meine Fantasie ging mit mir durch in Anbetracht der Lage!

Irgendwann bin ich tatsächlich eingeschlafen. So fest, dass ich nichts mehr gehört habe oder es kam tatsächlich kein Geräusch mehr, ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte ich einen sehr realistischen Traum gehabt: es war früher Morgen. Eine fremde Frau und meine Nichte waren im Zimmer und ich erzählte ihnen gerade haargenau das, was ich in dieser Nacht durchgemacht hatte. Der einzige Unterschied bestand darin, dass im Traum die Tür vom Badezimmer an einer anderen Stelle war. Sonst war alles genau gleich. Die beiden glaubten mir nicht. Das regte mich auf. Mitten in meinem Bericht piepste es wieder, immerzu hintereinander. Es wollte gar nicht mehr aufhören. Davon wurde ich wach und stellte fest, dass es nicht im Traum piepste, sondern in Wirklichkeit – ach so, der Wecker von meinem Handy. Was denn, schon aufstehen? Und wieso liegt ein Handtuch auf dem Kopfkissen? Also ich mag nicht gerne mitten im Traum geweckt werden, schon gar nicht wenn er so realistisch ist. Andererseits hatte ich was vor und musste raus, in zwanzig Minuten hatte ich mein Frühstück bestellt. Ich musste kurz darüber nachdenken, was man doch für einen Schwachsinn träumen kann. Irgendwie fühlte ich mich noch total müde. Ich wollte den Weckton abschalten, fand aber das Handy gar nicht. Nanu? Ich hatte es doch gestern Abend neben das Bett gelegt? Der Weckton kam irgendwie so gedämpft bei mir an. Hatte ich das Handy etwa im Bad liegen gelassen? Ich tappte verschlafen und gähnend ins Bad.

Da traf mich fast der Schlag. Unter dem Waschbecken – die Sofadecke und die Kissen, darunter mein ganzer Krimskrams, dazwischen irgendwo mein Handy. Mir wurde heiß und kalt, weil ich Traum und Realität kaum noch auseinanderhalten konnte. Ist das die Grenze zum Durchdrehen? Gerade als mir bewusst wurde, dass mein Traum die fiktive Fortsetzung der Realität gewesen ist und ich darüber nachgrübelte, wie sowas denn möglich sein kann, piepste es wieder. In Wirklichkeit! Und nicht aus meinem Handy. In einem Comic hätte der Zeichner seiner Figur wohl an dieser Stelle die Haare zu Berge stehen lassen.

Bei Tageslicht wirkte der Ton längst nicht mehr so extrem schrill wie nachts und tatsächlich entdeckte ich endlich das Corpus Delicti an der Decke genau über der Tür. Ein Rauchmelder! Oh Mann! Kein Wunder, dass ich ihn in der Nacht nicht sehen konnte, denn da hatte ich das Teil ja hinter mir, als ich mit dem Rücken zur Tür das Zimmer inspizierte. Gehört so ein Teil nicht in die Mitte des Raumes? Naja, das war mir ja nun auch egal, die Nacht war rum. Vermutlich waren die Batterien darin leer, ich würde es nachher den Leuten sagen und sie würden sich darum kümmern.

Irgendwie war ich echt beruhigt, dass es nur der Rauchmelder war und dass ich nun erleichtert und belustigt darüber lachen konnte. Die nächste Nacht würde ich bestimmt ganz früh ins Bett gehen und den verpassten Schlaf nachholen … oder die übernächste Nacht. Eine ganze Woche Urlaub zum Ausschlafen lag ja noch vor mir.

Von süßen Abschieden und Wiedersehen

Wie die paar REHA Wochen verflogen sind! Es war so wunderbar erholsam, viel Zeit für mich, kein bisschen Stress oder Hektik, viele nette Menschen, die mir begegnet sind. Die meisten davon sehe ich sicher nie wieder und die Erinnerung an sie wird nach und nach verblassen. Andere werden mich vielleicht noch ein Stück meines Lebens begleiten, bevor der Kontakt abbricht. Wird es auch den einen oder anderen Menschen geben, der bleibt? Werde ich diese Menschen wieder sehen?

Anika, Andrea und Uta hatte ich bei meiner letzten REHA 2011 kennen gelernt. Wir hingen vier Wochen lang so gut wie jeden Tag zusammen. Es hat einfach von Anfang an gepasst zwischen uns – eine Wellenlänge 🙂 Nach der Reha blieben wir über Facebook, WhatsApp und/oder Telefon in Kontakt. Mal mehr, mal weiniger – zumindest haben wir uns nie aus den Augen verloren. Wir HABEN uns wieder gesehen! Es gab ein lustiges Kur-Revival an den alten „Tatorten“. Das war richtig schön! Andrea hat mich auch mal zuhause besucht. Bestimmt ergibt sich irgendwann die Zeit für einen Gegenbesuch – wir bleiben am Ball.

Was habe ich mich gefreut, als Anika und Andrea mich bei dieser REHA besucht haben! Noch ein Wiedersehen! Natürlich wurde das mit frisch gebackenen Waffeln und einer gehörigen Portion heißen Kirschen mit Sahne darauf gefeiert – hmmmm – wie damals in Bad Sooden-Allendorf.

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Und nächste Woche, wenn ich zur CeBIT nach Hannover fahre, da treffe ich endlich auch Uta wieder, wie ich mich darauf freue!

Bei dieser REHA lernte ich unter anderem Elena, Anja, Sandra und Natalia kennen. Mit Anja verbindet mich der gleiche Beruf und natürlich mussten wir uns längst darüber austauschen, wie uns der Wiedereinstieg ins Berufsleben gelungen ist. Ich denke daran, wie wir abends zusammen gesessen und gehäkelt haben. Sie eine Mütze für ihren Mann, ich einen Pullover für mich. Elena hab ich das Stricken beigebracht. An ihrem letzten Abend saßen wir noch lange zusammen und ich war sehr beeindruckt, wie toll ihr Schal geworden ist.

Winfried und ich senden uns immer mal wieder lustige Fotos und Filmchen per WhatsApp hin und her und mit Natalia und Elena habe ich auch schon mal kurz telefoniert. Sandra sehe ich auf Facebook und wir schreiben uns gelegentlich ein paar Zeilen auf dem Handy hin und her, sie heiratet bald, ist schon sehr aufgeregt und hat jede Menge zu organisieren für ihren großen Tag.

Wenn ich an die Abschiede denke, dann einerseits etwas traurig, andererseits muss ich schmunzeln, wenn ich an die kleinen Aufmerksamkeiten denke, die ausgetauscht wurden. Elena hat eine wunderschöne Karte für mich gefunden, die so gut zu mir passen würde, wie sie fand und schrieb mir ein paar ganz liebe Worte als Erinnerung hinein. Mir gefällt die Karte. Wenn ich sie angucke, denke ich an Elena und an den lustigen Abend in „Fänkis Hütte“ oder an die leckeren Törtchen im „Kaffeehaus 1825“. Ja, wir haben gelegentlich kulinarisch gesündigt 😉 und es nicht bereut.

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Und dann waren da die süßen Grüße. Sogar in meinem Postfach fand ich sie! Die „Durchbeißer“ – die waren vom Udo, damit hat er mich jeden Abend versorgt, wenn wir nach dem Abendessen noch ein Stündchen zusammen an dem großen Tisch in der Lobby saßen, uns unterhielten oder uns mit dem lahmen W-LAN herum plagten, um unsere Mails zu checken usw. Ich wollte ja eigentlich den Süßigkeiten widerstehen, aber irgendwie ging das nicht. Erst wenn kein Durchbeißer mehr auf dem Tisch lag, zog ich mich auf mein Zimmer zurück. In der Regel ging das relativ schnell …

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Den Glückskäfer hab ich beim Frühstück auf meinem Platz im Speisesaal gefunden, mit dem hat mir Anja bei ihrem Abschied den Tag versüßt. Wer mir die längsten Pralinen der Welt ins Postfach gelegt hat, das weiß ich leider nicht so genau, da kann ich nur spekulieren … Auf jeden Fall habe ich mich auch darüber gefreut und musste schmunzeln.

Bin ich denn wirklich so eine Naschkatze?